In fast jedem Rechtsstreit über Werklohnansprüche des Auftragnehmers versucht sich der Auftraggeber mit dem Einwand, die Abrechnung des Auftragnehmers sei „nicht prüffähig“, zu verteidigen und die Bezahlung (zumindest vorläufig) abzuwenden. Diese Problematik ist seit langem beim VOB/B-Vertrag von besonderer Bedeutung, da eine prüfbare Abrechnung gemäß § 14 Abs. 1 VOB/B eine Fälligkeitsvoraussetzung für den Vergütungsanspruch darstellt. Anders ausgedrückt: Ist die Abrechnung nicht „prüfbar“, gerät der Auftraggeber mit der Bezahlung nicht in Verzug, und die auf die „ungenügende“ Schlussrechnung gestützte Werklohnklage wird als „derzeit unbegründet“ zurückgewiesen.

Dies gilt für alle seit dem 01.01.2018 abgeschlossenen Bauverträge aber auch dann, wenn die VOB/B nicht Vertragsbestandteil ist, denn die seit 2018 geltende Vorschrift des § 650g Abs. 4 BGB im umfassend reformierten gesetzlichen Bauvertragsrecht schreibt (erstmals) nun ebenfalls die Übergabe einer prüfbaren Schlussrechnung als Fälligkeitsvoraussetzung vor. Für ältere BGB-Bauverträge ist dies umstritten, aber es sprechen gute Gründe dafür, auch dort eine prüfbare Rechnung als Fälligkeitsvoraussetzung anzuerkennen.

Was die VOB/B unter einer „prüfbaren Abrechnung“ versteht, wird aus § 14 Abs. 1 S. 2 – 4 deutlich: Danach hat der Unternehmer die Rechnungen übersichtlich aufzustellen und dabei die Reihenfolge der Posten entsprechend dem Auftrag einzuhalten und die in den Vertragsbestandteilen enthaltenen Bezeichnungen zu verwenden. Leistungsverzeichnis und Schlussrechnung müssen sozusagen „spiegelbildlich“ zueinander passen.

Die zum Nachweis von Art und Umfang der Leistung erforderlichen Mengenberechnungen, Zeichnungen und andere Belege sind beizufügen. Änderungen und Ergänzungen des Auftrags sind in der Rechnung besonders kenntlich zu machen; sie sind auf Verlangen getrennt abzurechnen.

Etwas weniger konkret ist die Definition der Prüfbarkeit in § 650g Abs. 4 BGB für alle seit dem 01.01.2018 abgeschlossenen Bauverträge, in denen die VOB/B nicht vereinbart wurde: Danach ist die Schlussrechnung prüffähig, wenn sie eine übersichtliche Aufstellung der erbrachten Leistungen enthält und für den Besteller nachvollziehbar ist.

Der Nachweis des konkreten Leistungsumfanges ist grundsätzlich nur beim Einheitspreisvertrag, nicht aber beim Pauschalpreisvertrag erforderlich; hier genügen die Angabe des vertraglich vereinbarten Pauschalpreises sowie etwaiger Änderungen bzw. Zusatzleistungen.

Dem gegenüber ist beim Einheitspreisvertrag die Aufstellung und Vorlage des Aufmaßes Voraussetzung für die Prüfbarkeit der Schlussrechnung. Haben sich die Parteien ausdrücklich auf ein gemeinsames Aufmaß vertraglich geeinigt, wird der Werklohn auch erst nach Erstellung dieses gemeinsamen Aufmaßes fällig. Verweigert jedoch der Auftraggeber die Mitwirkung am gemeinsamen Aufmaß, kann der Auftragnehmer ein einseitiges Aufmaß erstellen und auf dieser Grundlage abrechnen.

Die Abrechnung muss nicht so erstellt werden, dass sie für jedermann verständlich ist. Prüfbarkeit ist vielmehr dann gegeben, wenn sie derjenige prüfen kann, der die Bauleitung hatte. Die Abrechnung muss also für den Fachkundigen (z. B. der Architekt des Auftraggebers) prüfbar sein.

Gemäß § 16 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B wird die Schlusszahlung spätestens zwei Monate nach Zugang der Schlussrechnung fällig; in der Regel bedeutet dies allerdings auch, dass die Zahlung frühestens nach Ablauf der zweimonatigen Prüfungsfrist fällig wird, da der Auftraggeber nur selten die Schlussrechnungsprüfung vorher abschließt und den Auftragnehmer über das Ergebnis informiert. Auch diese lange Fälligkeitsfrist der VOB/B sollte dem Auftragnehmer Anlass sein, bei Erstellung der Schlussrechnung sorgfältig auf die Prüfbarkeit zu achten, da jede (möglicherweise im Verlauf des Rechtsstreits) neu erstellte Schlussrechnung erst zwei Monate nach Zugang fällig, d. h. einklagbar wird.

Wenn der Auftraggeber dem Auftragnehmer in einem VOB/B-Vertrag kein Schlussrechnungsprüfungsergebnis mitteilt, jedoch auch keine Zahlung leistet, verliert er nicht seine sachlichen Einwendungen gegen die Rechnung. Er kann also weiterhin die sachliche Berechtigung der berechneten Forderung angreifen, auch mit den Gründen, die gleichzeitig die fehlende Prüfbarkeit nachweisen. Die Darlegungs- und Beweislast des Auftragnehmers für die Berechtigung der Forderung ändert sich also nicht.

In einem ab dem 01.01.2018 abgeschlossenen BGB-Bauvertrag gilt die Schlussrechnung als prüfbar, wenn der Besteller nicht innerhalb von 30 Tagen nach Zugang der Schlussrechnung begründete Einwendungen gegen ihre Prüffähigkeit erhoben hat. Davon strikt zu trennen ist aber stets die inhaltliche Richtigkeit der Schlussrechnung, die der Auftraggeber stets bestreiten kann (siehe den vorherigen Absatz).

Verzögert sich die Prüfung der Schlussrechnung, ist nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B das unbestrittene Guthaben als Abschlagszahlung sofort zu zahlen. Ein solches „Guthaben“ liegt nach der Rechtsprechung des BGH aber nicht schon dann vor, wenn einzelne Positionen der Schlussrechnung unstreitig sind; prüfbar berechnete und sachlich begründete oder unstreitige Einzelpositionen der Schlussrechnung können nur dann isoliert geltend gemacht werden, sofern „die Gesamtabrechnung des Vertrages ein entsprechendes unstreitiges oder prüfbar berechnetes und sachlich begründetes Guthaben ergibt“.

Legt der Auftragnehmer eine prüfbare Rechnung nicht vor, kann der Auftraggeber in einem VOB/B-Vertrag dem Auftragnehmer hierfür eine angemessene Frist setzen (§ 14 Abs. 4 VOB/B). Lässt der Auftragnehmer diese Frist verstreichen, kann der Auftraggeber die Rechnung auf Kosten des Auftragnehmers selbst erstellen lassen. Erstellt der Auftraggeber die Rechnung, steht dem Auftragnehmer ebenfalls eine Prüfungsfrist von zwei Monaten zu.

Dem Prüfvermerk unter der Schlussrechnung des Unternehmers kann verschiedene rechtliche Bedeutung zukommen. Der Prüfvermerk stellt grundsätzlich nur den Nachweis für die durchgeführte rechnerische Prüfung und Feststellung der Einzelpositionen (Mengen- und Einheitspreise) und des Gesamtergebnisses dar; dagegen ist der Prüfvermerk kein Anerkenntnis des Werklohnsanpruchs des Unternehmers. Wurde der Prüfvermerk vom Architekten auf die Schlussrechnung nach erfolgter Prüfung gesetzt, gilt dasselbe: Mit der Prüfung der Schlussrechnung erfüllt der Architekt lediglich eine Aufgabe, zu der er gegenüber dem Bauherren verpflichtet ist; der Unternehmer kann hieraus in aller Regel nichts herleiten. Grundsätzlich kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Architekt bevollmächtigt ist, für den Bauherrn verbindliche rechtsgeschäftliche Erklärungen im Rahmen von Schuldanerkenntissen oder Vergleichen abzugeben.

Auch die Mitteilung eines öffentlichen Auftraggebers über das Ergebnis der Prüfung und Feststellung der Schlussrechnung gem. § 16 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B stellt kein Schuldanerkenntnis hinsichtlich des mitgeteilten Schlusszahlungsbetrages dar, da dieser Kreis von Auftraggebern nach öffentlichem Haushaltsrecht der staatlichen Rechnungsprüfung unterliegt.

Annett Süß
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht