Wenn Schäden an Bauleistungen (z. B. durch Hochwasser) auftreten, ist die Frage der sogenannten Gefahrtragung von besonderem Interesse. Dabei ist zu klären, ob der Auftragnehmer zur Neuherstellung bzw. Wiederholung seiner bisher erbrachten Leistung verpflichtet ist (Leistungsgefahr) und ob der Auftraggeber die vereinbarte Vergütung bei vorzeitiger Beschädigung oder Zerstörung der Leistung zu zahlen hat (Vergütungsgefahr). Da beim Bauvertrag ein Erfolg geschuldet wird, bleibt der Auftragnehmer auch ohne Verschulden zur Neuherstellung verpflichtet, solange die versprochene Leistung als solche überhaupt möglich ist. Das gilt bis zur Abnahme. Erst nach der Abnahme (oder wenn sich der Auftraggeber in Annahmeverzug befindet) wird der Auftragnehmer von seiner Herstellungspflicht befreit, wenn das Werk ohne sein Verschulden ganz oder teilweise zerstört wird. Der Auftragnehmer trägt somit die Leistungsgefahr, d. h. er muss nochmals leisten, sofern nicht ausnahmsweise die Leistung unmöglich geworden ist, z. B. weil das gesamte Baugrundstück nicht mehr existiert. Dieser Grundsatz zur Leistungsgefahr gilt auch beim VOB-Bauvertrag. Dem gegenüber enthält die VOB/B zur Vergütungsgefahr Sonderregelungen, die von den BGB-Vorschriften zugunsten des Auftragnehmers abweichen. Danach hat der Auftragnehmer Anspruch auf die vertragliche Vergütung für die ganz oder teilweise ausgeführte Leistung, wenn diese vor Abnahme durch höhere Gewalt oder andere objektiv unabwendbare, vom Auftragnehmer nicht zu vertretende Umstände beschädigt oder zerstört wird. Dazu gehören Witterungseinflüsse, die nach den allgemeinen, auch den meteorologischen Erfahrungen an dem Ort der Bauleistung sowie nach der jeweiligen Jahreszeit nicht zu erwarten waren. Dies trifft beispielsweise auf das Hochwasser von 2002 zu. Für die Zweitleistung erhält der Auftragnehmer zusätzliche Vergütung, deren Höhe sich nach den Grundlagen der Preisermittlung für die vertragliche Leistung und den besonderen Kosten der zusätzlichen Leistung bestimmt.

Ganz anders stellt sich die Situation für den Auftragnehmer dar, wenn die VOB/B nicht in das Vertragsverhältnis einbezogen wurde, d. h. nur das BGB gilt. Da hier der Auftragnehmer bis zur Abnahme die Vergütungsgefahr trägt, verliert er seinen Werklohnanspruch für die erbrachte Leistung, wenn diese zufällig untergeht. Da er gleichzeitig verpflichtet bleibt, die Bauleistung neu herzustellen, kann er in große Schwierigkeiten geraten. Hier hilft eine Bauwesenversicherung, die es in zwei Varianten gibt: Allgemeine Bedingungen für die Bauwesenversicherung an Unternehmerleistungen (ABU) und Allgemeine Bedingungen für die Bauwesenversicherung von Gebäudeneubauten durch Auftraggeber (ABN). Häufig wird in Bauverträgen vereinbart, dass der Bauherr eine Bauwesenversicherung (ABN) abzuschließen hat, an deren Kosten die Bauunternehmer anteilig beteiligt werden. Gegenstand der Versicherung sind die Bauleistungen, nach den ABN auch die Ausbauleistungen. Baustoffe und Bauteile sind ab Eintreffen auf der Baustelle vom Versicherungsschutz erfasst. Nicht Gegenstand der Bauwesenversicherung sind Baugeräte einschließlich Zusatzeinrichtungen, Kleingeräte und Handwerkzeuge usw., Vermessungs- und Prüfgeräte usw., Stahlrohrgerüste, Spezialgerüste, Spezialschalungen usw. sowie Baubuden, Container, Bauwagen usw. Hierfür können besondere Baugeräteversicherungen abgeschlossen werden. Entschädigung wird geleistet für unvorhergesehen eintretende Schäden an Bauleistungen oder sonstigen versicherten Sachen. Als Ersatzleistung werden die Selbstkosten des Geschädigten für die Wiederherstellung des Zustandes vor Schadenseintritt erstattet, d. h. auch die Kosten für Aufräumung oder Trümmerbeseitigung. Keine Entschädigung leistet die Versicherung für Vermögensschäden durch Bauzeitverzögerung, Stillstandskosten, Vertragsstrafen usw., Mehrkosten durch Änderung der Bauweise oder Verbesserung der Baumethode oder provisorische Reparaturen.

Fazit: Der Bauunternehmer sollte auf Vereinbarung der VOB/B drängen, da dann der Auftraggeber auch die zerstörte Leistung bezahlen muss. Gelingt dies nicht, sollte eine Bauwesenversicherung geschlossen werden.

Annett Süß
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht