Kein Bauvorhaben läuft ohne „Pannen“ ab; fast immer treten Fehler bzw. Mängel der Bauleistung auf. Der Gesetzgeber gestattet dem Auftraggeber, beim Vorliegen von Mängeln ein Zurückbehaltungsrecht am Werklohn des Auftragnehmers geltend zu machen, welches den doppelten Betrag der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten umfasst. Dieser sogenannte „Druckzuschlag“ soll den Auftragnehmer bewegen, die Mängel kurzfristig zu beseitigen.
Allerdings wird diese Situation zuweilen von Auftraggebern ausgenutzt, welche immer wieder neue angebliche Mängel behaupten und das Zurückbehaltungsrecht bis aufs äußerste strapazieren. Wenn der Auftragnehmer in einer solchen Situation zur Durchsetzung seines Werklohnanspruchs den ordentlichen Gerichtsweg beschreitet, gerät er häufig in ein zeit- und vor allem kostenintensives Verfahren, dessen Ausgang schwer kalkulierbar ist. Kommt es bereits vor der Abnahme zu derartigen Streitigkeiten, ist der Auftragnehmer für die Mängelfreiheit seiner Leistung beweispflichtig, d. h. er muss die Vorschüsse für die Sachverständigengutachten einzahlen. Der mitunter enorme finanzielle Aufwand und vor allem die Zeitdauer eines Verfahrens, welche leicht mehrere Jahre erreichen kann, sind Faktoren, die nicht jedes Unternehmen „übersteht“.

Es empfiehlt sich daher, derartige Streitigkeiten nicht vor den ordentlichen Gerichten, sondern in einem Mediations-, Schlichtungs- oder Schiedsverfahren zu klären. Grundlage hierfür kann z. B. die Schlich­tungs- und Schiedsordnung für Baustreitigkeiten (SOBau) der ARGE Baurecht im Deutschen Anwaltverein sein, welche eine ausgewogene Verfahrensregelung enthält. Nähere Informationen zur SOBau finden Sie unter

www.arge-baurecht.com.

Eine weitere Möglichkeit ist ein Verfahren nach der Streitlösungsordnung für das Bauwesen (SL Bau). Diese wurde in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Beton- und Bautechnikverein E.V. (DBV) entwickelt, ist zum 01. Januar 2010 in Kraft getreten und zum 01. Juli 2016 in gänzlich überarbeiteter Fassung neu herausgeben worden. Nähere Informationen zur SL Bau finden Sie unter

https://www.dg-baurecht.de/sl-bau.html.

Voraussetzung dafür, dass Streitigkeiten nach der SOBau oder der SL Bau geklärt werden, ist eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Parteien. Diese Vereinbarung sollte zweckmäßigerweise bereits im Bauvertrag enthalten sein, kann jedoch auch während der Vertragslaufzeit bzw. wenn ein Streitfall vorliegt als weitere Vereinbarung zwischen den Parteien getroffen werden. Im Zuge der außergerichtlichen Auseinandersetzung sollten daher die Parteien bzw. deren Anwälte die Möglichkeit, die Sache durch ein Schiedsverfahren entscheiden zu lassen, immer im Auge behalten.

Eine gute Möglichkeit, den vom Auftraggeber einbehaltenen „Druckzuschlag“ zu­min­dest auf den einfachen Betrag der Mängelbeseitigungskosten zu verringern, stellt das Sicherheitsverlangen nach § 650 f (bis Ende 2017 § 648 a) BGB dar. Bekanntlich kann der Unternehmer gemäß § 650 f BGB vom Auftraggeber Sicherheit für noch zu erbringende Leistungen verlangen, und wenn der Arbeitgeber die Sicherheit nicht übergibt, die Arbeiten einstellen. Die herrschende Meinung in der Rechtsprechung wendet die Vorschrift nicht nur auf noch zu erbringende Leistungen, sondern auch auf bereits erbrachte, aber noch nicht bezahlte Leistungen des Auftragnehmers an. Wenn nun zwischen den Parteien Streit über das Vorliegen von Mängeln bzw. die Höhe der Mängelbeseitigungskosten und damit das Zurückbehaltungsrecht des Auftraggebers besteht, kann der Auftragnehmer zumindest einen Teil seiner Vergütungsansprüche sichern, indem er für die erbrachten, aber noch nicht bezahlten sowie gegebenenfalls die noch offenen Leistungen Sicherheit gemäß § 650 f BGB vom Auftraggeber verlangt.

Leistet nun der Auftraggeber die Sicherheit nicht fristgerecht, so hat der Auftragnehmer ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der Nachbesserungsarbeiten, d. h. er muss bis zur Vorlage der Sicherheit zumindest nicht weitere Arbeiten ausführen.

Außerdem kann der Auftraggeber, welcher nicht fristgerecht Sicherheit nach § 650 f BGB leistet, den Werklohn wegen ausstehender Nachbesserungsarbeiten nur noch in der Höhe der einfachen voraussichtlichen Kosten der Mängelbeseitigung, also nicht mehr in Höhe des doppelten „Druckzuschlages“, zurückbehalten.

Nach der Rechtsprechung gelten diese Grundsätze auch nach Abnahme der Bauleistung. Somit kann sich der Auftragnehmer, dessen Werklohnanspruch der Auftraggeber wegen angeblicher Mängel (möglicherweise unberechtigt) zurückbehält, zumindest teilweise gegen den Einbehalt wehren, indem er die Sicherheitsleistung verlangt, so dass er – gegebenenfalls nach erfolgte Nachbesserung – seine vollen Werklohnansprüche realisieren kann. Stellt der Auftraggeber keine Sicherheit nach § 650 f BGB, führt dies dazu, dass der Auftragnehmer die Nachbesserungsarbeiten nicht ausführen muss und der Auftraggeber nur noch hinsichtlich der einfachen Mängelbeseitigungskosten ein Zurückbehaltungsrecht am Werklohn hat.

Annett Süß
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht